Wanderziel des Ostens: Gemeinden bringen Tourismusprojekt ins Wanken

Mit schwerem Gerät bauten Berufsschüler aus Freistadt in OÖ am Flusswanderweg im Höllental zwischen Rax und Schneeberg
Zuerst hatte die Stadt Wien jahrelang einen Maschendraht vor dem Fördertopf, jetzt zieren sich ausgerechnet der Tourismusverband und seine Gemeinden. Die Finanzierung eines ambitionierten Tourismusprojekts im malerischen Höllental zwischen Rax und Schneeberg steht unter keinem guten Stern.
Nach dem feierlichen Spatenstich 2022 hängt die Finanzierung des 800.000-Euro-Projekts derzeit am seidenen Faden – obwohl bereits auf Hochtouren an dem Wanderpfad gebaut wird.

Die Schülergruppe aus Oberösterreich verrichtete eine Woche lang im Höllental schweißtreibende Wegebau-Arbeit
Zehntausende Ausflügler und Naturliebhaber
Die beliebteste sportliche Aktivität im Sommerurlaub der Österreicher ist das Wandern. Zehntausende Ausflügler und Naturliebhaber zieht es deshalb auch jedes Jahr ins Höllental ins südliche Niederösterreich. Dort, wo seit fast 150 Jahren bei der Kaiserbrunnquelle das frische Trinkwasser für die Stadt Wien entspringt, wurde bereits 1998 der 1. Wiener Wasserleitungsweg errichtet. Das Idyll hat allerdings einen Schönheitsfehler.
Risiko "Organspenderstrecke"
Der Wanderpfad endet abrupt bei Kaiserbrunn und ein 8,5 Kilometer langes Stück bis zum beliebten Weichtalhaus kann nur unter Lebensgefahr entlang der stark befahrenen Bundesstraße 27 erreicht werden – wegen der vielen Motorradunfälle auch "Organspenderstrecke“ genannt.
Der bereits fortgeschrittene Ausbau droht nun an der Bürokratie und einem „Nein“ der Gemeinden sowie des Tourismusverbandes Semmering-Rax-Schneeberg zu scheitern.
Auch Wien zahlt mit
Die Naturfreunde Hirschwang-Reichenau verfolgen seit 2018 das Projekt zum Ausbau des Flusswanderweges bis zum Weichtalhaus und weiter zur Singerin. Beim Spatenstich im Jahr 2022 war noch die Rede davon, dass die Gesamtkosten von damals 770.000 Euro zu 60 Prozent von der NÖ-Wirtschaftsagentur Ecoplus gefördert werden.
Die Stadt Wien als Besitzer des Quellschutzgebietes zierte sich anfangs, sicherte dann aber 115.000 Euro durch Eigenleistung zu. Zehn Prozent wollten die Naturfreunde selbst stemmen und 15 Prozent (115.500 Euro) sicherten die Gemeinden Reichenau an der Rax und Schwarzau im Gebirge zusammen mit dem Tourismusverband Semmering-Rax-Schneeberg zu.
Kurz darauf das böse Erwachen: "Obwohl wir vom Tourismusverband die Zusage hatten, dass er uns unterstützen wird, wurde uns später von allen Vertretern mitgeteilt, dass aufgrund der aktuellen angespannten Budgetsituation eine Mitfinanzierung nicht möglich ist“, so die Naturfreunde.
Mittlerweile sind die Gesamtkosten auf 800.000 Euro angewachsen. Durch Crowdfunding und Spenden konnten die Naturfreunde über 50.000 Euro extra lukrieren, im Topf fehlen aber immer noch 145.000 Euro, erklärt Hubert Prigl, Vorsitzender der Naturfreunde Hirschwang-Reichenau. Dass gerade der Tourismusverband und damit jene Gemeinden abgesprungen sind, die durch den Besuch Tausender Touristen am meisten profitieren, schmerzt Prigl besonders.
Nächtigungsabgabe für die Finanzierung?
"Der Weg ist nicht nur ein Gesundheitsprojekt, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsimpuls für die gesamte Region“, meinen die Naturfreunde. Deshalb hat man den Gemeinden den Vorschlag unterbreitet, einen Teil der jährlichen Nächtigungsabgaben in den kommenden Jahren in Tranchen zweckgebunden für den Flusswanderweg bereit zu stellen. Die Gemeinde Reichenau an der Rax will am 10. Juni im Gemeinderat darüber diskutieren.

Hubert Prigl von den Naturfreunden Hirschwang-Reichenau auf einer der neu errichteten Naturbrücken
Schulklasse aus Oberösterreich baut Wanderweg
In der Zwischenzeit wird bereits eifrigst am Wanderweg gebaut. In den vergangenen Tagen legte nicht nur ein ehrenamtliches Wegeteam der Naturfreunde Hand an, auch ein besonderes Schulprojekt stand im Zeichen des Flusswanderweges.
Durch gute Kontakte konnte eine Klasse der Berufsschule Freistadt (OÖ) für die Sache gewonnen werden. Die 20 Schüler, die den Beruf Straßenerhaltungsfachmann erlernen, rückten mit Motorsägen, Sensen, Hacken und schwerem Gerät an. "Sie lernen, wie man einen Weg in die Landschaft einbettet. Aus Totholz wurden Brücken oder Rastplätze errichtet“, erklärt Lehrer Klaus Wahlmüller.

Klaus Wahlmüller (li.) mit Schülern der Berufsschule Freistadt aus OÖ im Höllental
Viel Muskelkraft
Die Arbeit hält der Lehrer auch sozialpädagogisch für "überaus wertvoll“. Die Gruppe, die im Weichtalhaus in einem Schlaflager untergebracht war, wurde wie ein Team zusammengeschweißt. Kleine Siege der schwer arbeitenden Mannschaft wurden emotional entsprechend gefeiert, zum Beispiel, als es mehr als 15 Schüler schafften, einen fast eine Tonnen schweren Baumstamm nur mit Muskelkraft aus dem Flussbett der Schwarza zu bergen. Der Stamm wurde für die Wegesicherung verwendet.
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