Ist ein Betrunkener die Schnittmenge zwischen Wien und Provinz?

Ganz nüchtern betrachtet: Wie sich die Wiener Innenstadt und verschlafene Örtchen unterscheiden - und wo die Gemeinsamkeiten liegen.
Angelika  Niedetzky

Angelika Niedetzky

Als Kabarettistin kommt man viel herum. Landauf, landab, im Dienste des Humors. Es ist ein riesengroßer Unterschied, ob man im 1. Wiener Gemeindebezirk, ums Eck vom Stephansplatz spielt oder in einem verschlafenen Örtchen inmitten des Waldviertels, knapp zwei Stunden von Wien entfernt. Der Weg zu den verschiedenen Auftrittsorten könnte unterschiedlicher nicht sein.

In der Stadt die volle U-Bahn, tausende Touristen, die sich durch die Gassen wälzen, Eis essende, fotografierende, fein rausgeputzte Menschen mit Louis-Vuitton-Tragetaschen, operierte Frauengesichter, gefärbtes Männerhaar, Parfumwolken, die einen streifen, lautes Gelächter und Geplauder in diversen Sprachen dieser Welt, Hunde, die den Asphalt markieren, g’schaftige Geschäftsleute, die sich telefonierend durch die Menge drängen, prall gefüllte Gastgärten, in den Auslagen der Haute-Couture-Läden Mode, die ich noch nie jemals an irgendwem gesehen habe außer vielleicht in Hochglanzmagazinen, und da wie dort ein Betrunkener, der sich an seiner Käsekrainer und einer Dose Bier festhält.

Ich überlege, was die Schnittmenge zwischen Wien und dem Waldviertel sein könnte.

Die andere Anreise ins Waldviertel

Am Land endlose, kurvige Bundesstraßen, auf denen mir ein paar Füchse und Hasen gottlob nur guten Abend sagen und nicht mit meinem Wagen kollidieren. Im Ort selber der kleine Dorfplatz mit einem Wirtshaus, der Geruch von Misthaufen in der Luft, keine Menschenseele zu sehen außer einem alten Weiblein, das mit gekrümmtem Rücken ein paar gepflückte Blumen heimschleift, eine Katze, die mit grimmigem Gesicht auf einer Mauer wedelt, eine Telefonzelle. (Ich konnte nicht umhin zu überprüfen, ob sie noch funktionsfähig war. Den Hörer abgenommen, ertönte ein glasklares „Tuuuuuuuut“.

Schilling oder Euro zum Einwerfen, ich war mir nicht sicher. Ein Telefonbuch lud zum Blättern ein. Und dann war sie da. Beim Eintreffen im Pfarrstadl, dem Auftrittsort des Abends. Die gemeinsame Komponente zwischen Großstadt und Provinz: ein Betrunkener, der sich an einem Knoblauchstangerl und einem Glas Wein festhielt.

Aber da war noch mehr. Das Publikum war an beiden Spielorten gleich gut gelaunt, ließ sich da wie dort begeistern, lachte, klatschte, der eine im Stadl vielleicht etwas zu laut, aber das vertanzte sich in der Menge. Es gibt da noch einen riesengroßen gemeinsamen Nenner, der sogar Völker auf der ganzen Welt verbindet: das gemeinsame Lachen.

Prost und hicks

Ich bin so dankbar, meinen Beruf ausüben zu können. Es gibt nichts Schöneres als Menschen zum Lachen zu bringen, ihren Alltag zumindest für zwei Stunden vergessen zu lassen. Prost und hicks, darauf trinken wir!

Die Autorin Angelika Niedetzky ist Schauspielerin und Kabarettistin, derzeit mit ihrem 5. Soloprogramm „Der schönste Tag“ und mit den Comedy Hirten auf Tournee durch ganz Österreich.

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