Billie Eilish in Wien: Charisma, Talent und Pop vom Feinsten

Billie Eilish At The Avicii Arena Stockholm
Superstar Billie Eilish zog bei ihrer „Hit Me Hard And Soft“-Show in der Wiener Stadthalle alle Register ihres Könnens

Der Quader aus LED-Wänden auf der rechteckigen Mittelbühne in der Wiener Stadthalle leuchtet grellweiß und pulsiert in der Helligkeit  synchron mit dem Auf und Ab des dröhnenden Sounds. Langsam hebt sich der Quader, und in einem winzigen Moment, in dem Licht und Sound in sich zusammenfallen, sieht man Billie Eilish drinnen auf dem Boden sitzen.

Es ist das erste, aber bei Weitem nicht das letzte Mal, dass die fast 16.000 Besucher von Eilishs „Hit Me Hard And Soft“-Show zeigen, welche Kraft ihre Stimmbänder haben. Als das Dröhnen aufhört, steht Billie hoch über den Köpfen des Publikums auf dem Dach des Quaders und hört dem Gekreische der vorwiegend weiblichen Fans mit einem verschmitzten Lächeln eine halbe Minute zu, bevor sie mit „Chihiro“, von ihrem jüngsten Album „Hit Me Hard And Soft“ startet.

Spektakulär

Dass damit ein unterkühlt dahinplätschernder Song am Beginn der Show steht, stört bei dem visuell so spektakulären Beginn nicht. Die Amerikanerin schiebt ohnehin gleich den eingängigen Refrain von „Lunch“ nach. Dabei rennt sie beständig rund um die Bühne, zeigt, welchen Zweck diese Konstruktion hat: Eilish will allen Fans gleich nahe sein und ein intimeres Konzerterlebnis bieten, als es sonst in so großen Hallen möglich ist.

Rechts und links von einem Mittelsteg hat die Bühne zwei rechteckige Ausnehmungen, in die Band versenkt ist. So ist sie eine riesige freie Fläche, die Eilish alleine gehört und die sie dank ihres Charismas mühelos zu füllen weiß.

Nach einigen Songs mit viel Rhythmus und Bass kommt mit „Wildflower“ der erste ruhige Moment. Da leuchtet das Talent der 23-Jährigen erstmals richtig auf, denn die Pop-Ballade rückt ihr einzigartiges Timbre und ihren seelenvollen Gesang in den Mittelpunkt.

Stille

Dann der erste Höhepunkt: Eilish sitzt am Boden ihrer Bühne und bittet die Fans, komplett still zu sein, während sie nacheinander alle Stimmen des Anfangschors des nächsten Songs mit einer Loop-Station aufnimmt und einsingt. Plötzlich ist es wirklich komplett still in der Halle. Und es bleibt so still – auch als klar wird, dass das in ihren grandiosen Überhit „When The Party’s Over“ mündet. Den markanten „I could lie, say I like it like that“-Refrain grölen die Fans danach umso lauter mit, während das Licht einen weißen Käfig um die jetzt am Boden liegende Eilish zaubert.

Wieder auf den Füßen stimmt sie das bassbetont dahin stampfende „The Diner“ an, zieht danach alle Register ihres Könnens und zeigt, wie variantenreich ihr Repertoire ist. Hier erinnern Eilish-Songs an Club-Sounds, dort sind Streicher zu hören, jetzt singt sie sphärischen Dream-Pop und ein paar Minuten später Singer-Songwriter-Balladen. Sie spielt auch mal Akustik-Gitarre und E-Piano, klingt je nach Song verwundet und verletzt, wütend oder verwirrt, und gelegentlich so lasziv wie Jane Birkin bei „Je T’aime“.

Unterstützt wird sie von zwei Sängerinnen und einer vierköpfigen Band, die auf dieser Tour ohne ihren Bruder und Songwriting-Partner Finneas auskommen muss. Der arbeitet gerade an seiner Solo-Karriere und kommt erst am 16. Juli nach Wien, um im Gasometer zu zeigen, wie er ohne Schwester klingt.

Visuelle Akzente

Weitere Höhepunkt sind „Bad Guy“, das sanfte „TV“ und die Powerballe „The Greatest“, bei der Eilish auf einer von der Decke hängenden Platte sitzt und darauf in die Höhe gezogen wird.

Auch die Show ist perfekt designt. Sie setzt wie bei „The Greatest“ immer wieder neue Akzente, wenn rote Laser durch die Halle blitzen, Feuer-Fontänen in die Höhe schießen oder sich der Licht-Quader vom Anfang in bewegliche LED-Elemente auflöst. Nie aber drängt sich das Visuelle in den Vordergrund, allzeit dürfen Eilish und ihre Songs im Mittelpunkt stehen.

Gegen Ende wechselt sie für zwei Songs auf die winzige Zweit-Bühne auf der Stirnseite der Halle. Zurück auf der Hauptbühne rockt sie mit einer E-Gitarre los und treibt die Fans ein letztes Mal zu hysterischem Gekreische, bevor sie sich endgültig verabschiedet.

War die Hingabe der Fans an Billie Eilish in der Halle beeindruckend, ist sie danach vor der Halle zutiefst berührend: Rund 100 Glücklose, die keine Tickets ergattern konnten, haben dort die ganze Zeit lang Eilish-Songs gesungen - ohne je einen Blick auf das Idol werfen zu können. Und sie machen unbeirrt weiter, während sich die Halle leert.

Kommentare