Galerist John Sailer gestorben: Zentrale Figur für die Kunst nach 1960

Der Kunsthändler, Netzwerker und Galerist John Sailer, der mit der von ihm begründeten "Galerie Ulysses" den wichtigsten Künstlern und Künstlerinnen der Nachkriegszeit in Österreich eine Plattform (und eine wirtschaftliche Basis) verschaffte, ist tot. Das gab Gabriele Wimmer, Sailers langjährige Lebens- und Geschäftspartnerin, am Mittwoch bekannt. Erst vor kurzem hatte die Galerie mit einer Reihe von Ausstellungen ihr 50-jähriges Bestandsjubiläum gefeiert. Gezeigt wurden dabei die Größen der österreichischen Kunst der Nachkriegszeit - von Arnulf Rainer und Maria Lassnig über Wolfgang Hollegha, Markus Prachensky und Josef Mikl bis zu Joannis Avramidis oder Fritz Wotruba.
Doch auch internationale Größen der (vorrangig abstrakten) Kunst - Karel Appel, Helen Frankenthaler, Serge Poliakoff und viele andere - fanden über die Galerie am Opernring den Weg in österreichische Museen und Privatsammlungen oder einfach nur in die Herzen und Gehirne heimischer Kunstfreunde.
Netzwerker
John Sailer wurde am 30. November 1937 in Wien geboren. Seine sozialdemokratischen Eltern mussten beim „Anschluss“ im März 1938 Hals über Kopf das Land verlassen - ohne ihren wenige Monate alten Sohn, der aber glücklich ebenfalls außer Landes gebracht werden konnte und in Frankreich zu seinen Eltern stieß. 1940 gelang der Familie an Bord des Ozeandampfers „Nea Hellas“, die Flucht von Lissabon nach New York. Nach der gemeinsamen Rückkehr nach Wien 1947 fand er sich mit seinem Englisch problemlos im Umfeld der britischen und amerikanischen Besatzungsmächte zurecht.
Als 1963 bei einer wienweiten Dachbodenentrümpelungsaktion auch Bugholz-Sessel auf den Straßen zum Abtransport warteten, erinnerte sich Sailer an Kataloge der Firma Thonet, erkannte den Wert der Möbel und organisierte ein flächendeckendes System zur Auffindung und Lagerung der Sessel. "Das war der Grundstock meiner Kunsthandelstätigkeit", resümierte er später.
Ein Hafen für die Künstlergruppe aus St. Stephan
Seit den 1950er Jahren war Sailer mit vielen Künstlern und Künstlerinnen befreundet gewesen, vor allem aus dem Umkreis der „Galerie nächst St. Stephan“. Nach dem Tod des legendären Geistlichen und Galeriegründers Monsignore Otto Mauer im Jahr 1973 fehlte dessen "Künstlerfamilie" eine Plattform, erinnerte sich die Journalistin Andrea Schurian in einem Text, den die Galerie zu ihrem Jubiläum veröffentlichte.
Sailer spielte mit dem Gedanken, diese Lücke zu füllen. Ausschlaggebend für die Realisierung war schließlich ein Gespräch mit dem Bildhauer Fritz Wotruba, der zu jenem Zeitpunkt seit Jahren nicht mehr ausgestellt hatte und nun John Sailer die Gründung einer Galerie ausreden wollte. „Aber wenn du wirklich eine Galerie machst, dann bin ich dabei“, sagte er zum Abschluss.
Die erste Ausstellung fand im November 1974 in der umgebauten Garagen der Bundestheaterverwaltung im Hanuschhof - jenem Ort, an dem heute die Horten Collection steht - statt. Zwei Jahre später übersiedelte die Galerie in die bis heute bestehenden Räumlichkeiten am Opernring 21. Gabriele Wimmer avancierte in den 1980er Jahren zur Hälfteeigentümerin und prägte das Ausstellungsprogramm stark mit. Während Sailer - der mit dem US-Kritikerpapst Clement Greenberg befreundet war - vor allem an abstrakter Malerei interessiert war, holte Wimmer Größen der neuen deutschen Malerei wie Jörg Immendorff nach Wien. Auch eine Andy Warhol-Schau war "in der Ulysses" zu sehen.

Expansion
Eine Ausstellung von Arnulf Rainer im Guggenheim-Museum 1989 ermunterte Sailer, auch eine US-Niederlassung seiner Galerie zu eröffnen. "Damals war ein verstärktes Interesse der Amerikaner an europäischer, besonders aber auch an österreichischer Kunst zu spüren“, erklärte er. Als aber der New Yorker Kunstmarkt ermüdete, wurde die Dependance wieder geschlossen.
2002 kuratierte Sailer, der nie eine Stelle in einem öffentlichen Museum angestrebt hatte, mit der Ausstellung "Kunst, Kunst, Kunst", im Museum des 20. Jahrhunderts (heute mumok) eine Schau über den Österreichischen Staatspreis und den Österreichischen Kunstsenat. 2013 meldete er sich Sailer im Streit um die Restitution des Beethovenfrieses zu Wort: Seiner Beobachtung nach war der Verkauf dse Klimt-Hauptwerks an die Republik durchaus im Sinne des Vorbesitzers Lederer, den er persönlich gut kannte, gewesen.
Ansonsten war Sailer aber kein Mensch des großen Auftritts, sondern eher ein Netzwerker hinter den Kulissen. Die Galerie Ulysses blieb dank seiner Tätigkeit ein Ankerpunkt für die prägende österreichische Kunst nach 1960 und ein Kristallisationspunkt für den Kunststandort Wien.
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