Von dem berühmten Großvater aber war am Set keine Rede, im Gegenteil, versichert Renate Reinsve im KURIER-Interview. Halfdan habe sich lange von Filmemachen ferngehalten, eben weil er so einen berühmten Großvater hat: „Er wollte seine eigene Stimme finden.“
Die Rolle der Elisabeth, einer aufgewühlten Mutter eines komplizierten Sohnes, hat ihr der Regisseur auf den Leib geschrieben: „In manchen Momenten ist sie sehr stark, dann wieder ganz verletzlich.“
„Armand“ ist ein Eltern-Schülerdrama und erinnert an Yasmina Rezas Theaterstück „Der Gott des Gemetzels“, das später von Roman Polanski verfilmt wurde: „Ja, daran habe ich auch gedacht“, gibt Reinsve zu, „aber Halfdan kannte dieses Stück nicht.“
Krieg der Eltern
In „Armand“ steht das Verhalten eines Kindes zur Debatte. das zum Krieg zwischen den Eltern führt. Renate Reinsve spielt Elisabeth, alleinerziehende Mutter und von Beruf Schauspielerin. Sie wird in die Schule ihres sechsjährigen Sohnes Armand bestellt und dort von der Klassenlehrerin und einem anderen Elternpaar konfrontiert. Armand hat – angeblich – einen anderen Buben am Klo sexuell missbraucht. Die Eltern, und vor allem Sarah, die Mutter des anderen Kindes, sind empört und erwarten harte Maßnahmen. Lehrerin und Schuldirektor zögern, während Elisabeth die Anschuldigungen in Zweifel zieht.
Halfdan Ullmann Tøndel setzt auf intensive Momente zwischenmenschlicher Auseinandersetzungen und stellt vor allem seinen Star Renate Reinsve als Elisabeth in den emotionalen Mittelpunkt.
Weil Elisabeth von Beruf Schauspielerin ist, unterstellt ihr Sarah manipulatives Spiel mit den Gefühlen anderer. Elisabeth weiß sich mit ihrem Verhalten tatsächlich in Szene zu setzen und erreicht einen Siedepunkt, als sie während der Ansprache des Direktors einen minutenlangen n Lachkrampf bekommt, der schließlich in krampfhaftes Weinen übergeht.
Allein beim Zuschauen stellt sich Erschöpfung ein – und tatsächlich sei diese Szene „unglaublich schwer“ zu spielen gewesen, sagt die 37-jährige Schauspielerin. Zehn Stunden lang habe sie lachen müssen, so lange, bis ihr tatsächlich die Kontrolle entglitt.
Ohnehin wäre es ihr schwer gefallen, eine manipulative Schauspielerin zu verkörpern, „weil ich Sorge hatte, dass Menschen mich aufgrund meines Berufes ebenfalls als manipulativ wahrnehmen.“ Aber die Lust an den extremen Gefühlszuständen, die mit ihrer Rolle einhergingen, hätten auf jeden Fall überwogen.
„Armand“ verstehe sich als leise Satire auf eine norwegische Gesellschaft, die als „sehr konform“ gilt, so Renate Reinsve: „Es braucht nicht viel, damit Leute über das Verhalten einer anderen Person irritiert sind – egal ob Erwachsene oder Kinder.“
Was sie selbst betrifft, geht sie in ihrem Beruf gerne an die Grenzen und lotet die Grundlagen der Existenz aus: „Ich fühle mich nicht wohl in Filmen und Serien, die allein zur Unterhaltung dienen. Ich liebe Filme, die mehr Fragen stellen als Antworten geben.“
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