"Tannhäuser"-Regisseurin: "Wir müssen dazu verführen, zu denken“

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Lydia Steier inszeniert in Wien den neuen „Tannhäuser“. Sie spricht über Wagner, Liebe, Publikumserwartungen und das Jahr 1938.

Wagner und Wien, das ist eine wechselvolle Geschichte. Deren nächstes Kapitel schreibt Lydia Steier: Die US-Regisseurin mit Wiener Wurzeln inszeniert "Tannhäuser“. Premiere an der Wiener Staatsoper ist am Donnerstag. 

Jordan-Finale

Die „Tannhäuser“-Premiere am kommenden Donnerstag ist die letzte von Philippe Jordan als Staatsopern-Musikdirektor. Regie führt Lydia Steier, die aufwendige Bühne stammt von Momme Hinrichs.

Besetzung

Clay Hilley singt die Titelrolle, Martin Gantner statt des erkrankten Ludovic Tézier den Wolfram von Eschenbach. Weiters Günther Groissböck, Daniel Jenz, Ekaterina Gubanova, Malin Byström.

KURIER: Mit „Es geht um nichts weniger als um die Liebe“ preist die Staatsoper den „Tannhäuser“ an. An zynischen Tagen könnte man sagen: Es geht doch da nur wieder um den Mann, der an sich selbst leidet, und irgendwie sind die Frauen schuld.

Lydia Steier: Es ist so vielschichtig. Es geht um die Liebe, aber nicht nur. Sie ist Zündstoff für Kunst und Kultur. Auch das Männerleid ist natürlich ein Teil davon. Und es geht um die Unmöglichkeit, dass Begehren in einer korrekten Gesellschaft existiert, die Unmöglichkeit, ein authentisches Leben in einer Gesellschaft zu führen, die keine Veränderung im Charakter oder auch der Begierde erlaubt. In dieser Hinsicht ist das Stück sehr zeitgemäß. Besonders jetzt, da wir ein starkes Zurückschnalzen zu einer viel konservativeren Sicht von Moral, Lebensstil und Geschmack erleben. Man muss zeigen, wie gefährlich Begierde für eine Gesellschaft sein kann.

Das hat Wagner ja selbst am besten gewusst: Er hat sich seinen Begierden hingegeben und gleichzeitig Vorbehalte gehabt.

Er war sein ganzes Leben von seiner eigenen Begierde verängstigt.

Ausgelebt hat er sie aber schon – er hat auch seinen Freunden die Frauen ausgespannt...

Ja, aber wenn man seine Schriften liest, fragt man sich, wie viel sexuellen Kontakt die dann wirklich hatten, oder ob sie nicht einfach zusammengesessen sind und einander Gedichte vorlasen. Der Größenwahn war gewaltig bei Herrn Wagner.

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