Tate McRae in Wien: Posen aus dem Pornoladen, Hits aus der Retorte

Das Bühnenbild in der Wiener Stadthalle erinnert an ein New Yorker Taxi: Der schwarze „Tate“-Schriftzug auf gelbem Hintergrund erstreckt sich über die ganze Bühnenbreite. Doch als das Saallicht ausgeht, braucht es noch ein wenig, bis Tate McRae, die 2020 mit „You Broke Me First“ durchstartete, leibhaftig zu sehen ist. Davor gibt es ein Video-Intro, das deutlich zeigt, wo die Show hingehen wird: McRae reckt in knappem Höschen die Kehrseite zur Kamera, tanzt suggestiv vor einer Wand aus Videoschirmen und schwingt lasziv die Hüften.
Endlich selbst auf der Bühne, startet sie mit dem Song „Miss Possessive“, nach dem diese Tour benannt ist. Begleitet wird sie nur von einem Drummer, der gelegentlich Keyboards spielt, und einem Gitarristen. Der Rest der Sounds, die denen ihrer drei Alben gleichen, kommt von der Festplatte. Das alleine würde aber noch nicht stören.
Gleichförmig
Was stört, ist die Gleichförmigkeit der Musik. Im Vergleich zu Billie Eilish, die zwei Tage davor in der Stadthalle zu Gast war, mangelt es McRaes Repertoire an Innovation, Eigenständigkeit und Variantenreichtum.
Ja, sie hat immer wieder Refrains, die augenblicklich einnehmen. Dazu gehört „2 Hands“ oder „Guilty Conscience“. Und ihre Stimme bietet zwar Power, aber eben nur Power – ohne Nuancen und Schattierungen, ohne die Gefühlstiefe und das zauberhafte Flair, das Eilish mit ihrem Timbre in diese Halle zaubern konnte. Bei McRae hat man das Gefühl, schon nach 20 Minuten alles gehört zu haben, was sie kann, und danach dasselbe neu aufgekocht serviert zu bekommen. Hits aus der Retorte anstatt dem Herzen.
Trotzdem wird die Show nie langweilig. Das liegt an den Tanzszenen, bei denen McRae – Tochter einer Tänzerin, die selbst tanzt, seit sie ein Kleinkind war – von sechs Männern und zwei Frauen begleitet wird.
Oft genug sind das Szenen, die in Softpornos vorkommen könnten. Nicht nur, wenn McRae vor „Uh Oh“ auf der Mittelbühne an der Stange tanzt. Ob das plakative Vamp-Image Selbstbestimmung und Selbstermächtigung, oder doch Verkaufsstrategie ist, ist eine andere Diskussion. In jedem Fall aber sind die Tanzszenen perfekt in der Präzision der Ausführung und atemberaubend im Ausdruck. Manches, was die Tänzer zeigen, grenzt an Akrobatik. Und die Geschmeidigkeit ihrer und McRaes Bewegungen erinnern an die Schlangenmädchen aus dem Zirkus.
Diese Kraft im Ausdruck hat die Musik nur, wenn McRae in der Mitte der Show auf eine runde Zweitbühne am Ende der Halle geht, dort „Nostalgia“ singt, und am E-Piano Songs anspielt, die sie mit 13 oder 15 Jahren geschrieben hat.
Am Ende bleibt trotzdem das Gefühl, dass die 21-Jährige eine Musik-Arbeiterin ist. Professionell und ansprechend verkauft sie ein Produkt. Ohne Frage ist sie eine tolle Entertainerin. Aber eine begnadete Musikerin wie Billie Eilish? Leider nein.
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