„Da muss jemand in den Knast und geht ganz gechillt auf der für seine betuchten Gäste bekannten Insel Mode shoppen“, wird ein Kärntner zitiert, der ein Foto von Grasser und seiner Ehefrau an Online-Portale geschickt hat.
Man muss sich das einmal vorstellen: Da weiß ein früherer Spitzenpolitiker, dass ihm die wohl schlimmste Zeit seines Erwachsenenlebens bevorsteht – ein Gefängnisaufenthalt – und dann kommt er auf die abstruse Idee, die letzten Tage in Freiheit an einem Ort zu verbringen, den er mag, ja vielleicht sogar liebt. So was aber auch!
Im Grunde müsste man die outrierte Aufregung über Grassers Capri-Aufenthalt ja kalt ignorieren. Aber die hämisch-hibbelige Berichterstattung demonstriert zum wiederholten Male, woran es in einer von asozialen Medien getriebenen Gesellschaft krankt.
Da ist zunächst die Attraktivität von Politik: Sie ist in Zeiten von Handyfotos und „Insta“ am Tiefpunkt. Fälle wie jener des „KHG“ zeigen cleveren Menschen (und die braucht die Politik so dringend!), dass man sich dreimal überlegen sollte, ob man rund um die Uhr auf Privatsphäre und Würde verzichten will – im Idealfall auf Lebenszeit, Herr Grasser ist seit fast 20 Jahren nicht mehr in der Politik aktiv.
Stimmt schon: Die Buwog-Affäre war wohl die größte Korruptionscausa der Zweiten Republik und Grasser ihr zentraler Protagonist. Aber gerade weil Medien wie der KURIER über Jahrzehnte mit Berichten dazu beigetragen haben, die Causa vor die Justiz zu bringen, muss man bei einem rechtsgültigen Urteil auch sagen können: Es ist genug, die Sache ist durch.
Das führt zum zweiten Problem: Vor allem in asozialen Medien wird politische Berichterstattung zu oft daran gemessen, wie aufgeregt sie sich geriert. Das Laute schlägt das Ruhige, falsch Zugespitztes bisweilen das Hintergründige.
Das ist gefährlich für Demokratien. Der KURIER hat das Capri-Foto explizit nicht gebracht – und gut wars. Denn schon am Montag war die Aufnahme nicht nur ethisch, sondern auch zeitlich völlig daneben – Grasser hat die Haft erwartungsgemäß angetreten. Man darf jetzt eines tun, nämlich: Ihn einfach in Ruhe lassen.
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