Warum wir lieber um den eigenen Nabel kreisen

Ist Ihr Geist hoffentlich pfingstlich erleuchtet? Pfingsten ist übrigens ein christliches Hochfest, der eigentliche Beginn der Kirchengeschichte. Doch, halt, ganz vielen Menschen ist derzeit der Nabel deutlich näher als das Hirn, wie man auch an den Verlagsprospekten für den Herbst schön beobachten kann.
Da ist nämlich radikale Selbstoptimierung angesagt. Wer also nicht mit „Longevity-Hacks“ den Alterungsprozess umkehrt, sein Immunsystem boostert, genug Protein-Power tankt, die Hormone und die Darmflora in Balance hält, und über ein personalisiertes Fastenprogramm verfügt, der/die gilt womöglich als Modernitätsverlierer. Natürlich vergeht auch kein Tag ohne das neue Trendthema „Wechseljahre“. Bitte, verehrte Ärzteschaft, nehmt die betroffenen Frauen ernst(er), damit uns endlich wieder andere Fragen in Wallung bringen können. Denn auch wenn die Debatte feministisch aufgeladen ist, könnte das durchaus den gegenteiligen Effekt haben und Frauen wieder einmal als Problemfall am Arbeitsmarkt brandmarken. Die männlichen Dysfunktionalitäten, die wir ja auch unfreiwillig jeden Abend im TV serviert bekommen, haben wenigstens keine Auswirkungen auf das Berufsleben.
Aber vielleicht ist dieser auffällige Rückzug auf sich selbst eine logische Folge einer in jeder Hinsicht übersättigten Wohlstandsgesellschaft, die ihren Abstieg nicht wahrhaben will.
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