Gedenkgottesdienst im Stephansdom: "Einer trage des anderen Last"

TRAUER-UND GEDENKGOTTESDIENSTS AM DONNERSTAG, 12. JUNI 2025 IM WIENER STEPHANSDOM: VAN DER BELLEN / SCHMIDAUER / STOCKER/BABLER/MEINL-REISINGER/ROSENKRANZ
Staatsspitze und Vertreter der Religionen kamen zum gemeinsamen Gedenken nach dem Grazer Amoklauf zusammen.

Vor dem Stephansdom in Wien haben viele Menschen Kerzen im Gedenken an die Toten des Amoklaufs in Graz entzündet, am Dom lehnen Rosen, laufend kommen neue Kerzen dazu. Ein Mann legt einen Strauß weiße Rosen nieder, „eine für jeden Toten“, sagt er, „das ist die Antwort von uns Menschen, wir schießen nicht mit Patronen, wir legen Rosen nieder und halten zusammen“.

Gedenkgottesdienst im Stephansdom: "Einer trage des anderen Last"

Im Dom beginnt unterdessen der Gedenkgottesdienst für die Opfer des Grazer Amoklaufs – auf Anregung der Bundesregierung. Bundespräsident Alexander Van der Bellen zündet unter dem Geläut der Pummerin die erste schlichte, weiße Kerze an. Eine für jede Tote, eine für jeden Toten. Bundeskanzler Christian Stocker folgt ihm. Fast die ganze Bundesregierung ist an diesem Donnerstag im Stephansdom versammelt. Zuvor hatte der Nationale Sicherheitsrat getagt, am Montag will die Regierung eine Erklärung zum Amoklauf in Graz abgeben.

Der klagende Ton einer Ziehharmonika drückt im Stephansdom das Leid aus, das viele verspüren. Administrator Josef Grünwidl spricht aus, was viele denken: „Die Wunden, die der Amoklauf hinterlassen hat, werden lange bleiben.“

Trauergottesdienst für die Opfer von Graz

Große Anteilnahme

Zahlreiche Repräsentanten der gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft gedenken mit, Ermin Sehic, Erster Imam der Islamischen Religionsgemeinschaft Wiens, liest eine Sure aus dem Koran – unter den Getöteten sind viele muslimischen Glaubens. „Diese Sessel werden immer leer bleiben“, fügt der evangelische Bischof Michael Chalupka an.

Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner, Vorsitzender der Bischofskonferenz, greift die Worte der Lesung – „einer trage des anderen Last“ – auf. In der Trauerzeit habe ein Zusammenrücken stattgefunden, stellt er fest und bittet, „im Antlitz des anderen nicht den Feind zu sehen“. Das gelte es, in den Alltag mitzunehmen. Zuhören, gut übereinander reden, teilen, ein Stück des Weges mitgehen: „Das schulden wir einander im Zusammenleben.“ Um diesen Zusammenhalt geht es auch bei den Bitten: „Für alles, das Wunden geschlagen hat und einer Heilung bedarf, und eine Gesellschaft, in der Gewalt keinen Platz hat.“

Grünwidl ergreift abschließend das Wort. „Der Glaube liefert keine logischen Erklärungen für das unsagbare Leid“, weiß er, um doch eine Perspektive zu geben: „Gott ist die Aussicht, nicht die Auskunft.“ Um diese Aussicht und die Perspektive gehe es. Nach vorne schauen, aufeinander schauen, das Wir über das Ich stellen und still hoffen, dass Hass und Tod nicht das letzte Wort haben. „Das letzte Wort heißt Leben, ewiges Leben“, lautete Grünwidls Botschaft. Mit dem Gottesdienst endete schließlich auch die offizielle Staatstrauer.

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