Machtdemonstration
Das Konzept der Weltausstellung war noch jung. Es war die erst fünfte der Geschichte – und die erste im deutschsprachigen Raum. 35 Nationen kamen nach Österreich, um sich in insgesamt 194 Pavillons auf dem Gelände zu präsentieren. Auf 233 Hektar hatten die Österreicher Wasserspiele, Tausende Gasflammen und die Rotunde errichtet, die bis heute als das Wahrzeichen der Weltausstellung gilt. Der Kuppelbau – der 1937 einem Brand zum Opfer fiel – war zu dieser Zeit der weltweit größte seiner Art.
Dass es Kaiser Franz Joseph gelungen war, Japan zur Weltausstellung zu laden, konnte als echter PR-Coup gelten: In den europäischen Metropolen frönte man Anfang des 19. Jahrhunderts dem „Orientalismus“, die Faszination für das „Exotische“ war auf einem Höhepunkt. Dass man Länder wie das ostasiatische Japan in der damaligen Zeit dem „Orient“ zurechnete, verdeutlicht den eurozentristischen Blick auf die Welt.
Ende der Isolation
Doch auch dem Tenno, dem japanischen Kaiser, kam die Weltausstellung gelegen: Als ihm Heinrich Ritter von Calice, ein weit gereister und angesehener Diplomat im Auftrag Franz Josephs, im Jahr 1872 in Tokio die Einladung überbrachte, sagt er sofort zu. Japan befand sich nach Jahrhunderten der Selbstisolation gerade auf einem Weg der Öffnung.
Seit dem 17. Jahrhundert war die Politik Japans 250 Jahre lang vom „Sakoku“, der „Landesabschließung“, geprägt gewesen: Das Tokugawa-Regime beendete den Überseehandel mit den Portugiesen und Spaniern, verwies Europäer des Landes und verhängte ein Ein- und Ausreiseverbot für die Bevölkerung. Wer auf eigene Faust in Japan einreiste, dem drohte im schlimmsten Fall die Todesstrafe.
Diese Zeiten waren seit 1852 vorbei – und der neue Herrscher wollte Japan als aufstrebende Wirtschaftsmacht in der Welt positionieren. So scheute man für die Weltausstellung keine Kosten und Mühen. In Tokio und Kyoto veranstaltete man zwei nationale Vorausstellungen (quasi als Bewährungsprobe), bei denen man die besten Exponate sammelte, die die Delegation später per Schiff nach Triest und mit der Eisenbahn nach Wien brachte. Übrigens: Nicht alle Objekte, die die Japaner ausstellten, waren Originale – so manches fertigte man eigens nach dem Geschmack der Europäer.
Der Pavillon der „Japanesen“ – wie man ihn damals nannte – sollte seine Wirkung dennoch (oder gerade deshalb) nicht verfehlen: Er war einer der Publikumsmagnete der Weltausstellung. Die Handwerker hatten künstliche Flussläufe, Brücken und Hügel angelegt; sogar eine Nachbildung des Tempels von Kyoto konnten die Gäste bestaunen. Der Bildband, den die Japaner auflegten, galt lange als wichtiges Dokumente zur Beurteilung der japanischen Lebensverhältnisse der damaligen Zeit.
Kisten mit Kunstobjekten versanken
Angetan waren die Gäste nicht nur von den Textilien, sondern vor allem von den Fächern, die die Japaner verkauften. Dass es außerhalb des Expo-Geländes ein Teehaus gab, in dem Geishas dem Vernehmen nach nicht nur heiße Getränke aufbrühten, soll für einen kleinen, aber gern gesehenen Skandal gesorgt haben.
Ein Bild des Malers Kunichika Toyohara, das Kurtisanen im Teehaus zeigt, verblieb im Wiener MAK, das erst vor zwei Jahren mit der Ausstellung „Wiener Weltausstellung 1873 Revisited – Ägypten und Japan als Europas Orient“ Exponate vor den Vorhang holte. Das heutige MAK war eines von mehreren europäischen Museen, die von der japanischen Beteilung an der Expo profitierten. Die japanische Regierung verschenkte einen Gutteil der Ausstellungsstücke, um so die Außenwirkung langfristig zu sichern. Ein Glück. Denn die Heimreise verlief für die Japaner alles andere als erfolgreich. Eines der Schiffe kenterte in einem Taifun vor Yokohama, 191 Kisten voller Kunstobjekte versanken.
Was blieb, war eine anhaltende Begeisterung für Japan, die Wien ergriff: Elemente des Jugendstils und der Wiener Secession gingen auf Impulse aus Japan zurück, die Wiener Werkstätte wäre ohne japanische Vorbilder nicht denkbar. Der „Japonismus“ prägte das Fin de Siècle entscheidend. Eine Länderfreundschaft, die bis heute nachhallt: Die Faszination für japanische Handwerkskunst und Ästhetik ist ungebrochen.
Kommentare