Nun muss "der Gust", wie er im politischen Betrieb genannt wird, vor Gericht. Kronzeuge Thomas Schmid wirft ihm vor, für einen Parteifreund interveniert zu haben, damit dieser den Job eines Finanzamtschefs bekommt. Wöginger bestreitet das - er habe keinen Einfluss auf die Kommission genommen.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft dem 50-Jährigen Anstiftung zum Amtsmissbrauch vor. Kaum ist die Nachricht publik, schließen sich die Reihen. In Aussendungen und Interviews versichern hochrangige Parteimitglieder wie Wolfgang Hattmannsdorfer, man stehe zum Parteifreund: Es gäbe überhaupt keinen Grund, an Wögingers Ausführungen und Integrität zu zweifeln.
Doch ganz unabhängig davon, wie man die Substanz der von der WKStA fixierten Anklage bewertet, stellen sich eine Reihe von Fragen: Wie groß ist der Schaden für die ÖVP und die Regierung? Was tut ein derartiger Prozess mit einer Partei, die den Kanzler stellt und eine komplexe Dreier-Koalition führt?
Politik-Beobachter Thomas Hofer will den strafrechtlichen Gehalt der Anklage nicht im Detail bewerten. Der ist für die politische Einschätzung aber ohnehin sekundär. "Denn für jede Koalition ist ein solcher Prozess eine Belastungsprobe", sagt Hofer zum KURIER. Das umso mehr, als Wöginger nicht nur in dieser, sondern auch in vergangenen Koalitionen eine zentrale Rolle gespielt hat.
Disziplin
Für die Koalitionspartner SPÖ und Neos ist das ÖVP-Verfahren eine Probe der Disziplin. "Manche werden sich auf die Lippen beißen", sagt Hofer. "Immerhin waren es die Neos und auch die SPÖ, die in den vergangenen Jahren die Freunderlwirtschaft der ÖVP thematisiert haben."
Faktum ist: Wöginger ist einer der wichtigsten Politiker der Kanzlerpartei. Und Faktum ist weiters, dass der Prozess unabhängig von seinem Ergebnis eine kommunikative Herausforderung darstellt.
"In wenigen Wochen beginnt auch der Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz", sagt Hofer. Neben dem bevorstehenden Untersuchungsausschuss, bei dem die FPÖ den "Deep State" und Machtmissbrauch der ÖVP thematisieren will, ist das Feld gewissermaßen aufbereitet - die Opposition hat viele Anlässe, um den Machtmissbrauch der Schwarzen zu thematisieren.
Unabhängig von der Causa Wöginger verweist Hofer auf die grundsätzliche Thematik, die der Fall zutage fördert, nämlich: die Anspruchshaltung, die Politikern vor allem auf regionaler Ebene entgegenschlägt.
Ombudsmänner
"Abgeordnete, Klubobleute und Gemeinderäte werden von den Wählern auch als Ombudsmänner und gewählte Interessenvertreter wahrgenommen", sagt Hofer. Und das bringe eine gewisse Erwartungshaltung mit sich.
Wie äußert sich diese? "Zum Beispiel derart, dass Wähler sagen: Ich habe dich gewählt, also musst du etwas für mich tun."
Das bringt das politische Personal bisweilen in eine Zwickmühle. "Wenn ein Abgeordneter in seinem Wahlkreis um Rat oder Hilfe bei der Wohnungs- oder Jobsuche gebeten wird, ist das per sei nichts Unanständiges", sagt Hofer. Die richtige, gewissermaßen: saubere Reaktion des Politikers wäre, den Menschen nüchtern zu erklären, wie sie sich für einen Job offiziell bewerben. "Aber in der Praxis entspricht das oft nicht dem, was sich Bürger erwarten - oder was der Politiker antwortet, weil er von ihnen wiedergewählt werden will."
Hofer appelliert deshalb dafür, Verhaltensänderungen beim politischen Personal, sondern in der Gesellschaft insgesamt zu forcieren. "Denn die Interventionitis kommt nicht nur den Politikern." Vielmehr habe sie eine Entsprechung bei den Wählern, denen es mitunter ganz recht sei, wenn sie bei Politikern intervenieren können.
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