Diphtherie-Ausbruch 2022 entlang von Migrationsrouten verbreitet, auch in Österreich

Eine Impfung schützt vor der Erkrankung.
- Diphtherie-Ausbruch 2022 entlang von Migrationsrouten, hauptsächlich Geflüchtete betroffen.
- Studie zeigt hohe genetische Identität der Diphtheriestämme und betont präventive Maßnahmen.
- Viele Infektionen bei Afghanen und Syrern, oft unklarer Impfstatus.
Im Jahr 2022 breitete sich der schwerste Diphtherie-Ausbruch in Westeuropa seit 70 Jahren entlang von Migrationsrouten aus. Das geht aus einer Analyse von Daten zu Diphtherie-Infektionen hervor. Hauptsächlich Geflüchtete waren betroffen. Zur Untersuchung des Ausbruchs wurde ein europäisches Forschungskonsortium ins Leben gerufen. Die Ergebnisse wurden in der Nacht auf Donnerstag im New England Journal of Medicine publiziert.
Wie die Universität Zürich (UZH), die an der Studie beteiligt war, mitteilt, konnten die Übertragungswege des Ausbruchs erstmals nachvollzogen werden. „Die hohe Zahl von Diphtherie-Infektionen unter Migranten ist besorgniserregend, insbesondere da antimikrobielle Resistenzen die Wirksamkeit der Behandlungsstandards bedrohen“, schreiben die Forschenden. Um zukünftige Ausbrüche zu verhindern, seien präventive Maßnahmen notwendig. Zwar konnte die Verbreitung durch schnelles Handeln eingedämmt werden, doch zirkulieren einige Bakterienstämme weiterhin in der Region und verursachen neue Infektionen.
Untersucht wurden klinische sowie genomische Daten zu Diphtherie-Fällen, die zwischen Januar und November 2022 in zehn europäischen Ländern gemeldet wurden – darunter die Schweiz, Österreich, Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich, Belgien, Norwegen, die Niederlande, Italien und Spanien. Die Untersuchung legt nahe, dass sich die Infektionen entlang etablierter Migrationsrouten nach Europa ausbreiteten. Viele der Betroffenen waren auf dem westlichen Balkan unterwegs.
Afghanische und syrische Männer besonders häufig betroffen
Mikrobiologe Andreas Hoefer vom European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) und Co-Erstautor der Studie erklärte: „Die im Jahr 2022 gemeldeten Diphtheriestämme weisen ein hohes Maß an genetischer Identität auf, wie unsere Studie zeigt. Dies deutet auf eine gemeinsame Infektionsquelle oder darauf hin, dass es bestimmte Orte entlang der Reiserouten bei der Migration in europäische Länder gibt, an denen eine anhaltende Diphtherieübertragung stattfindet.“
Von den 362 analysierten Patientinnen und Patienten waren 98 Prozent männlich, 96 Prozent waren kürzlich in das jeweilige Land eingereist, in dem die Erkrankung festgestellt wurde. Bei 266 Personen lagen Angaben zum Herkunftsland vor – 83 Prozent stammten aus Afghanistan oder Syrien.
Vorwiegend Hautdiphtherie diagnostiziert
Diphtherie wird durch weltweit vorkommende Bakterien ausgelöst, deren Gift Organe wie Herz und Leber dauerhaft schädigen kann. „Diphtherie kann ein breites Spektrum an klinischen Symptomen zeigen“, so Adrian Egli, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der UZH und Mitverantwortlicher der Studie.
Es gibt zwei Hauptformen: die Atemwegsdiphtherie (respiratorisch) und die Hautdiphtherie (kutan). Laut Studie litten 77 Prozent der Patienten an der milderen kutanen Form, 15 Prozent an der respiratorischen Variante.
Impfstatus oft unbekannt
Nach Angaben des Schweizer Bundesamts für Gesundheit (BAG) traten die meisten Infektionen bei Personen mit unklarem oder unvollständigem Impfstatus auf. Die Studie bestätigt, dass der Impfstatus in vielen Fällen mangels medizinischer Dokumentation schwer zu bestimmen war. Nur vier Patienten waren nachweislich geimpft, zehn gaben an, keine Impfung erhalten zu haben, und bei 290 war der Status unklar.
„Diese Daten legen eine Reihe von Maßnahmen nahe, die in Europa ergriffen werden müssen, um das Risiko solcher Ausbrüche in Zukunft zu verringern“, so die Forschenden. Dazu zählten unter anderem gezielte Aufklärung von Migranten sowie besseres Wissen bei medizinischem und betreuendem Personal.
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