von Gernot Heigl
Eine junge Frau dachte, dass ihr jahrelanges Martyrium, beginnend im Alter von vier Jahren, nur schlimme Träume waren. Dazu gehörten Betäubung durch Schlaftabletten im Kakao und sexueller Missbrauch durch einen Freund der Familie. Tragischerweise sollen sich diese Horrorszenarien tatsächlich zugetragen haben.
Im Rahmen einer Psychotherapie konnte das Opfer den verdrängten Missbrauch aufarbeiten und als junge Frau Anzeige erstatten. Beschuldigt wird ein damaliger Freund der fünfköpfigen Familie, Mitte 30, der über Jahre als Gast in deren Wohnung lebte und im Wohnzimmer schlief. Nachts war der Mann oft allein mit den drei Kindern, da die Eltern arbeiteten – ein Umstand, den der gelernte Handwerker laut Polizeiakt ausnutzte.
Der Beschuldigte soll Schlafmittel in den Kakao der Kinder gemischt haben, um die Geschwister geräuschunempfindlich und sein Opfer gefügig zu machen. Die Taten sollen über vier Jahre mehrmals wöchentlich stattgefunden haben.
Opfer setzte sich zur Wehr
Als das Kind, inzwischen Volksschülerin, die Kakao-Präparierung bemerkte, verweigerte es das Getränk und wehrte sich gegen die Übergriffe. Dennoch setzte der Täter laut Opfer Gewalt ein. Die Eltern glaubten den Schilderungen nicht. Im Alter von zwölf Jahren verübte das Missbrauchsopfer durch Einnahme einer Tablettenüberdosis einen Selbstmordversuch, ehe es drei Jahre später von zu Hause auszog und damit auch der Missbrauch beendet werden konnte. Seither leidet die junge Frau an depressiven Störungen und einem anhaltenden psychischen Trauma.
Der Beschuldigte, inzwischen Pensionist, verantwortete sich zu den Tatvorwürfen bisher nicht geständig und zeigte in seinen polizeilichen Einvernahmen mehrere Ungereimtheiten auf. Wie häufig in solchen Fällen steht somit Aussage gegen Aussage. Am Mittwoch findet im Landesgericht Eisenstadt der Prozess statt. Seitens seiner Verteidigerin, Veronika Ujvarosi, heißt es: „Ein Sachverständiger schließt in einem Gutachten zum Opfer das Phänomen eines ,False-Memory-Syndroms‘ definitiv nicht aus. Also ein unabsichtliches Verfälschen bestehender eigener Gedächtnisinhalte.“ Die Anwältin weiter: „So könnte auch sein, dass es beim vermeintlichen Opfer zu Schilderungen von Ereignissen kommt, die in der Realität gar nicht stattgefunden haben. Deshalb kämpfe ich für meinen Mandanten um einen Freispruch.“
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