Nackte Wahrheiten
Einen Wiener Bezirk kannte ich bis dato kaum, das hat sich innerhalb weniger Stunden geändert. Der erste für mich freie und heiße Sonntag in diesem Jahr veranlasste mich, meinen beiden Hunden einen Tag am Wasser zu gönnen. Gerade mal zehn Minuten mit der U-Bahn von der Innenstadt Wiens entfernt, tut sich im 22. Bezirk, an der wirklich schönen, blauen, neuen Donau eine unterhaltsame Welt auf, in deren Gespräche wie auch ins kühle Nass ich eintauchte, und mir nun, da ich diese Zeilen verfasse, immer noch ein breites Lächeln ins Gesicht geschrieben steht.
11.17 Uhr. Ich bewege mich über eine Böschung hinunter in Richtung Ufer. Ein Herr: „Sie?“ Ich: „Ja, bitte?“ Er: „Da drüben! Darf nix, oder?“ Ich will die Situation begreifen, aber der nette Mann erklärt umgehend: „I komme 30 Jahre her. Aber a Nockata, das darf nur Lobau, oda?“
Nun hatte ich keine Scheu mehr hinzusehen, wenngleich der Anblick des tatsächlich unbekleideten Mannes fünf Meter weiter, der sich dort auch noch rekelte, wie Gott ihn geschaffen hatte, kein für mich sehr erbaulicher war. (Mir fällt die politisch korrekte Form für Topfen… grad nicht ein, egal.)
„Nein … ich glaube, hier ist kein FKK-Strand,“ entkam es mir etwas unsicher. „Aber was. Hamma glaub ich genug andere Probleme in Land, oda?“ „Jaaa!!“ kam es diesmal wie aus der Pistole geschossen aus mir. Wir lachten beide, und ich zog weiter.
Hundstage oder Sauwetter?
11.43 Uhr. Ich breite mein Handtuch aus und sonne mich kurz. Zwei Damen mit kleinem Hund, breiter als hoch, schlendern vorbei. Die Walze entleert neben mir ihren Darm, tapst frohen Mutes über mein Tuch, während die eine zur anderen meint: „Der Mai kann echt gor nix. Do kumman scho wieda deppade Wolkn!“ „Es is Juni“, krächzt die andere. „Na, dann kann halt der Juni a echt gor nix!!“ wieder die eine.
Dann werden Kothaufen und Dreckspuren peinlich berührt bemerkt, teilweise beseitigt, und ich lockere die Situation auf mit einem: „Aber was, i glaub, wir ham genug andere Probleme in dem Land, oder?“
Da waren wir uns wieder alle einig und verabschiedeten uns mit einem Lachen, während eine junge Familie eindeutig meine beiden absoluten Mischlingshunde als seltene afrikanische Rasse zu identifizieren wusste. Die Tante des besten Freundes des Bruders der Mutter hat nämlich auch so einen. Die Fiffi. Ich ließ den Fall offen.
12.23 Uhr. Ein junges Pärchen, er im Frack, sie im Netztop und einem Minirock, der in der Länge, oder eher Kürze, von einem Gürtel kaum zu unterscheiden war, torkelt trunken des Weges. „Warum so elegant?“ Will ich von ihm wissen. „Damit Du was zum Fragen hast“, meint der Gürtel und gewährt mir ähnliche Einblicke wie der von 11.17 Uhr. Es ist fix. Ich werde aus mehreren Gründen ab sofort mehr Zeit hier verbringen. In einem sehr toleranten Teil der lebenswertesten Stadt der Welt.
Zur Autorin:
Angelika Niedetzky ist Schauspielerin und Kabarettistin, derzeit mit ihrem fünften Soloprogramm „Der schönste Tag“ und mit den Comedy Hirten auf Tournee durch ganz Österreich.
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